Immunsystem und Sport

Wie das Immunsystem funktioniert, wie es trainiert werden kann und welche Sportarten es stärken, verraten die iQ athletik Experten Ronja Klees und Andreas Wagner

Ronja Klees, Sportwissenschaftlerin B. Sc. bei iQ athletik
Ronja Klees | Die Sportwissenschaftlerin B. Sc. ist Trainerin mit viel Expertise in der Leistungsdiagnostik. Ihr Immunsystem stärkt sie u.a. beim Laufen oder beim Trainieren mit ihrem Rennrad oder Cyclocrosser
Andreas Wagner, Sportwissenschaftler, Gründer von iQ athletik
Andreas Wagner M.A. | Der Mitbegründer von iQ athletik und Sportwissenschaftler stärkt seine Abwehrkräfte mit der Langhantel, beim Klimmziehen im Garten und auf dem täglichen Weg zur Arbeit mit dem Gravelbike


Schutz vor Krankheitserregern

In der Corona-Pandemie steht den Menschen ein Schutz gegen Viren sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben: die Mund-Nasen-Bedeckung. Die wirkungsvollste „Waffe“ gegen Krankheitserreger arbeitet jedoch unsichtbar im Hintergrund: das menschliche Immunsystem. Es ist ein biologisches Abwehrsystem gegen Schadstoffe und Krankheitserreger. Es schützt den Körper, ist wichtig für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Und es ist trainierbar!

Im Folgenden wird aufgezeigt, wie das komplexe System funktioniert und wie es durch Sport fit gemacht werden kann, um die eigenen Abwehrkräfte zu stärken.

Mund-Nasen-Bedeckung als Schutz vor Krankheitserregern wie dem Coronavirus
Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung kann vor der Übertragung von Krankheiten schützen, z.B. vor einer Infektion mit Coronaviren (Foto: Rawpixel.com - stock.adobe.com)

Im Auftrag der Gesundheit: die Aufgaben des Immunsystems

Die zentralen Aufgaben des körpereigenen Abwehrsystems sind:

  • Krankheitserreger unschädlich machen und diese aus dem Körper zu entfernen;
    z.B. Viren, Bakterien, Pilze oder auch Parasiten
  • Schadstoffe aus der Umwelt identifizieren und neutralisieren
  • krankhafte Veränderungen auf Zellebene bekämpfen; z.B. Krebszellen

Zwei Schutzschilde gegen Eindringlinge – so funktioniert das Immunsystem

Immunologische Vorgänge zählen zu den komplexesten unseres Körpers. Trotz wissenschaftlichem Fortschritt bestehen viele Fragen zur Wirkungsweise. Warum werden z.B. die einen schneller krank als andere? Und warum ist für die einen eine Infektion tödlich, während die anderen nicht einmal merken, dass sie krank sind? Eine Frage, die auch in der aktuellen Corona-Pandemie viele Mediziner und Wissenschaftler beschäftigt.

Grundsätzlich arbeiten in unserem Körper zwei verschiedene Systeme zusammen, um uns vor Krankheiten zu schützen: Das angeborene Immunsystem und das adaptive Immunsystem. 

Viren und Immunsystem
Wenn Viren in den Körper eindringen, reagiert dieser mit einer Immunantwort (Illustration: kjpargeter - freepiks.com)

Von Geburt an geschützt

Das angeborene Immunsystem schützt - wie der Name schon sagt - von Geburt an vor eindringenden Krankheitserregern. Zu diesem biologischen Schutzschild gehören beispielsweise natürliche Killer-Zellen. Dieser Teil unseres Abwehrsystems richtet sich grundsätzlich gegen alle fremden und krankmachenden Eindringlinge. Es versucht diese zu neutralisieren, abzubauen oder aus dem Körper auszuscheiden.

Anpassbar und lernfähig 

Das adaptive Immunsystem dagegen hat ein „immunologisches Gedächtnis“. Es ermöglicht dem Körper auf Stoffe zu reagieren, gegen die bereits in der Vergangenheit eine Immunantwort stattgefunden hat. 

Die Prozesse dabei sind sehr komplex, wie auch die gesamte Funktionsweise unseres Immunsystems. Vereinfacht dargestellt lässt sich das immunologische Gedächtnis wie folgt erklären: Wenn eine noch nicht aktivierte T-Zelle (als Teil des adaptiven Immunsystems) erstmals mit einem Fremdkörper wie einem Virus in Kontakt kommt, kann sie spezielle Antikörper entwickeln. Diese Antikörper sind dann der körpereigene Schutzmechanismus vor spezifischen Antigenen, welche sich auf der Oberfläche von schädlichen Eindringlingen befinden. Diese Strukturen werden dann vom Immunsystem als krankmachend erkannt.


Vereinfacht ausgedrückt sind Antikörper geschulte „Einsatzkräfte“ unseres Körpers, die bestimmte „Eindringlinge“ (Antigene) aufspüren und neutralisieren können. Damit ist das immunologische Gedächtnis auch die Grundlage dafür, dass Schutzimpfungen funktionieren.


Schlupfloch für unbekannte Eindringlinge

Beim Erstkontakt mit bislang unbekannten Krankheitserregern fehlt dem immunologischen Gedächtnis schlichtweg die Erfahrung mit den fremden Eindringlingen. Dem Immunsystem fehlen die richtigen Antikörper, um die Eindringlinge mit einer schnellen Immunantwort bekämpfen zu können. Hierdurch können sich die neuen Erreger im Körper ausbreiten. 

Dies ist einer der Gründe dafür, warum sich der neue SARS-CoV-2-Erreger (Coronavirus) so schnell und rund um den Globus verbreiten kann. Das menschliche Immunsystem war auf diesen „Feind“ nicht vorbereitet – es fehlt eine spezifische Abwehr. Und ohne diese Abwehr ist das Immunsystem besonders gefordert. Bestehen dazu noch weitere Vorerkrankungen, kann das körpereigene Abwehrsystem überlastet werden. 

Cornavirus (Illustration)
Ein Erreger, auf den das menschliche Immunsystem nicht vorbereitet war: SARS-CoV2, weltweit besser bekannt als Coronavirus. (Illustration: kjpargeter - freepiks.com)

Immun-Risikoprofil beeinflusst das biologische Abwehrsystem

Wie gut unser Immunsystem auf Erreger reagieren kann, hängt unter anderem mit unserem Immun-Risikoprofil zusammen. Dieses Profil beschreibt die Summe aus allen Faktoren, die auf die Leistungsfähigkeit des Immunsystem wirken, z.B.: chronische Erkrankungen, Bewegungsmangel, Übergewicht, Alkohol und Alter. 

Da in Industrienationen wie Deutschland das Metabolische Syndrom (mehr erfahren) weit verbreitet ist, gelten hierzulande viele Menschen als Risikopatienten für Infektionskrankheiten; z.B. für eine Corona-Infektion.

Einfluss der Ernährung auf das Immunsystem
Eine ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und chronische Erkrankungen beeinflussen die Leistungsfähigkeit des Immunsystems und erhöhen das Immun-Risikoprofil (Foto: Rawpixel.com - adobe.stock.com)

Abwehrkräfte schwinden im Alter

Wie unser gesamter Körper, zeigt auch unser biologisches Abwehrsystem im Laufe der Zeit viele Veränderungen. Während des menschlichen Alterns tritt die sogenannte „Immunseneszenz“ auf. Diese ist durch eine fortschreitende Funktionsabnahme im Immunsystem charakterisiert. So produziert ein älterer Mensch z.B. weniger Zellen, die Antikörper bilden können. Und auch die Abwehrzellen verändern sich im Vergleich zu jungen Jahren. 

Dies schwächt die Leistungsfähigkeit unseres Immunsystems. Es kann nur noch weniger effektiv auf eindringende Erreger reagieren. Die gute Nachricht: Sport kann auch im Alter die eigenen Abwehrkräfte stärken!

Immunsystem und Sport im Alter
Ein aktiver Lebensstil mit viel Bewegung stärkt auch im Alter das Immunsystem (Foto: Paul Bradbury/Caia Image - adobe.stock.com)

Wie Sport das Immunsystem fit hält und stärkt

Sport stärkt das Immunsystem
Sport wirkt positiv auf das Immunsystem und stärkt die Abwehrkräfte (Foto: weavebreak3 - adobe.stock.com)

Dank zahlreicher Untersuchungen wird das Geheimnis rund um die positiven Wirkungen von körperlicher Bewegung auf das Immunsystem zunehmend gelüftet.

Zwei Aspekte spielen dabei eine zentrale Rolle:

  1. Durch Sport werden unterschiedliche immunprotektive Prozesse angekurbelt, die vor Erregern schützen. So werden z.B. mehr Abwehrzellen mobilisiert, die das Immunsystem stärken. Bereits während der sportlichen Betätigung werden vermehrt T-Zellen freigesetzt. Diese sind wichtige „Soldaten“ im Kampf gegen bösartige Viren, Bakterien und Tumorzellen.

  2. Sport reduziert das Risiko für innere Entzündungsprozesse, die negativ auf das Immunsystem wirken. So begünstigen Entzündungsherde oftmals Erkrankungen im Herz-Kreislauf-Bereich, die dann die Abwehrkräfte schwächen. Sport wirkt diesem Verlauf positiv entgegen.

Einem „fetten“ Risiko für die Abwehrkräfte vorbeugen – mit Sport!

Dass ein hoher Anteil an Körperfett schlecht für die Gesundheit ist, ist weitläufig bekannt. Die Rolle des viszeralen Fettgewebes auf das Immunsystem dagegen weit weniger. Das viszerale Fettgewebe ist das Fett, dass sich im Bauchraum um die Organe herum befindet. Von dort sendet es chronische Entzündungsprozesse aus.

Dieser Prozess schwächt die Immunreaktion auf andere Erreger. Die entzündlichen Signale aus dem Fettgewebe begünstigen außerdem Muskelschwund, Insulinresistenz und können im schlimmsten Fall für die Entwicklung von Diabetes Typ 2 mitverantwortlich sein. 

Übergewicht, Körperfett und Immunsystem
Ein hoher Körperfettanteil begünstigt Entzündungsprozesse und schwächt das Immunsystem. Sport wirkt diesen Prozessen positiv entgegen (Foto: WavebreakMediaMicro - adobe.stock.com)

Sport wirkt diesen Prozessen positiv entgegen und kann maßgeblich zu einer Reduktion des Körperfettanteils beitragen (mehr erfahren). Besonders die Reduktion des viszeralen Fettgewebes sorgt für ein Absinken des Levels der chronischen Entzündungen im Körper. Hierdurch wirkt dann weniger Stress auf das Immunsystem ein. Die Abwehrkräfte bleiben fit für andere Aufgaben. 

Sportlich gesund: Auf die Dosierung kommt es an!

Damit unser Immunsystem von sportlicher Betätigung profitieren kann, ist es wichtig, die Trainingsumfänge, -intensitäten und -zeitpunkte richtig zu wählen. Denn auch beim Sport gilt: Die Dosis macht das Gift. Zu hohe Belastungen können das Immunsystem in die Knie zwingen und das Entstehen von Krankheiten begünstigen.

Zum Stärken der Abwehrkräfte gibt es nicht den „einen“ richtigen Trainingsbereich. Die physiologische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit ist so individuell wie der Fingerabdruck eines Menschen. Was den einen unterfordert, kann den anderen überfordern. Deshalb sollte auch jeder Sportler mit unterschiedlichen Intensitäten und Umfängen trainieren. 

Sport stärkt die Abwehrkräfte und das Immunsystem
Richtig dosiert, fördert Sport das Immunsystem und die Gesundheit (Foto: wavebreak3 - adobe.stock.de)

Aus diesem Grund ist auch eine Leistungsdiagnostik so wichtig (mehr erfahren). Durch sie können individuell optimale Trainingsbereiche bestimmt werden. Und es kann verhindert werden, dass ein Sportler auf Dauer überpaced, in der Folge sein Immunsystem schwächt und seine Gesundheit gefährdet. Bei einer individuellen Trainingsplanung und -steuerung werden grundsätzlich verschiedene Intensitätsbereiche zugrunde gelegt.

Bei Disziplinen mit sehr hohen Trainingsumfängen wie im Radsport, Triathlon und Langstreckenlauf ist ganz besonders auf ein individuell optimales Belastungs- und Entlastungverhältnis zu achten. Das meiste Trainingsvolumen ist dabei im submaximalen Belastungsbereich zu absolvieren. Wer diese Sportarten ambitioniert und gesund betreiben möchte, sollte sich professionelle Unterstützung durch einen Trainer*In suchen (mehr erfahren). 


Zum Stärken des Immunsystems sind grundsätzlich Trainingseinheiten gut geeignet, bei denen nicht das maximale Belastungslimit erreicht wird. Auspowern ja, aber nicht bis zur Schmerzgrenze.


Leistungssport und Immunsystem
Wenn Sportler auf Dauer Dauer überpacen, schwächen sie auch ihr Immunsystem. Deshalb benötigen besonders ambitionierte Sportler eine individuelle und optimale Trainingsplanung und -steuerung (Foto: Johannes Pfaff)

Open-Window-Phänomen

Während der Coronazeit werden überall offene Fenster als Maßnahme zur Prävention propagiert. Mit Blick auf Sport und das Immunsystem bezeichnet das Open-Window-Phänomen (auch „elite athlete paradoxon“ genannt) jedoch einen Vorgang, der die körpereigenen Abwehrkräfte schwächt. Wie zuvor schon erwähnt, kann ein Zuviel an Sport dem Immunsystem ungünstig entgegenwirken. 

Intensives Sporttreiben sorgt für ein vermehrtes Freisetzen von T-Zellen. Allerdings fällt die Anzahl der Immunzellen in der Entspannungsphase nach dem Sport stark ab – sogar unter das Ausgangsniveau. Dies liegt unter anderem daran, dass die zirkulierenden Zellen aus dem Blut wieder in verschiedene Gewebearten zurückwandern. Hierdurch öffnet sich ein Fenster, dass es krankmachenden Erregern leichter macht, in den Körper einzudringen und ihn anzugreifen. Deshalb sind z.B. Läufer und Radfahrer nach intensiven Trainingseinheiten besonders anfällig für Erkältungskrankheiten.

Open-Window-Phänomen beim Sport
Open-Window-Phänomen: Ein Zuviel an Sport schwächt das Immunsystem und öffnet Krankheitserregern ein Fenster zum Körper (Foto: WavebreakMediaMicro - adobe.stock.com)

Tipps zum Vorbeugen einer Infektionsgefahr in der „Open-Windows-Phase“:

  • Dem Körper ausreichend Zeit zur Regenration geben: Auf ausreichend Schlaf achten und Belastungs- und Entlastungsphasen im Training entsprechend planen.
  • Ist die Gesundheit angeschlagen und zeigen sich erste Anzeichen einer Erkältung, ist ein intensiveres Training vollständig zu vermeiden; ggf. ist eine vollständige Ruhepause erforderlich.
  • Beim Training im Freien eine Unterkühlung vermeiden: Die Kleidung der Witterung anpassen und ganz besonders bei nass-kaltem Wetter direkt nach dem Sport duschen und warm anziehen.
  • Auf eine gesunde und der Belastung angepasste Ernährung achten: Ausreichend Vitamine und Mineralstoffe aufnehmen, unnötige Stressoren durch einen „Hungerast“ vermeiden und auch nach dem Sport alle Speicher wieder auffüllen. Zur gesunden Ernährung gehört auch ein möglichst geringer Alkoholkonsum.
  • In der Corona-Pandemie die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten; ganz besonders in geschlossenen Räumen wie beim Trainieren in Fitnessstudios.

Einfluss von Hormonen auf das Immunsystem

Die männlichen und weiblichen Sexualhormone, vor allem Testosteron, Östrogen und Progesteron, beeinflussen den Stoffwechsel und somit indirekt auch das Immunsystem. Während die Hormonkonzentration bei Männern relativ konstant ist, unterliegt diese bei Frauen innerhalb eines Menstruationszyklus großen Schwankungen. Je nach Zyklusphase können anabole (aufbauende) oder katabole (abbauende) Prozesse im weiblichen Organismus überwiegen. 

Dies hat maßgebliche Einfluss auf die Belastbarkeit und Regenerationsfähigkeit. Bei der Trainings- und auch Wettkampfplanung sollten daher die Zyklusphase berücksichtigt werden (mehr erfahren). 

Frauen, Sport, Zyklus und Immunsystem
Bei Frauen kommt es innerhalb des Menstruationszyklus zu Veränderungen im Hormonhaushalt, was sich auf die Belastbarkeit und das Immunsystem auswirkt (Foto: WavebreakMediaMicro -adobe.stock.com)

Welche Sportarten stärken das Immunsystem?

Grundsätzlich kann jede sportliche Aktivität die Abwehrkräfte fördern, sofern sie richtig dosiert betrieben wird (Stichwort: „Open-Window-Phänomen“). Das kann z.B. Laufen, Radfahren, Schwimmen, Tennis, Yoga oder auch der Besuch im Fitnessstudio sein. Wichtig ist, dass die ausgeübte Sportart Freude bereitet und das Gefühl gibt, dabei Stress abbauen zu können.

Grundsätzlich sind besonders die Sportarten zu empfehlen, bei denen möglichst viel Muskulatur beansprucht wird. Muskeln sind unser größtes Stoffwechselorgan. Sie produzieren Botenstoffe, von denen die Gesundheit anderer Organe abhängig ist. Wissenschaftler entdecken immer wieder neue Effekte, wie sich Muskelaktivität auf verschiedene Weise positiv auf die Gesundheit auswirkt. Die Botenstoffe stoppen beispielsweise Entzündungen, regulieren die Immunabwehr und wirken positiv auf den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel. 

Krafttraining stärkt das Immunsystem
Sportarten, bei denen viele Muskeln gefordert sind, stärken die Abwehrkräfte besonders günstig; z.B. ein Krafttraining (Foto: weavebreak3 - adobe.stock.com)

Wer bislang nur Ausdauersport betreibt, ist daher beispielsweise gut beraten, ein ergänzendes Muskelkrafttraining durchzuführen (mehr erfahren). Der Stellenwert eines Krafttrainings nimmt dabei mit dem Alter zu. Denn im Laufe der Zeit werden nicht nur unsere Abwehrzellen weniger (Stichwort: „Immunseneszenz“), auch Muskelmasse geht verloren. Beides hat erhebliche Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit unseres Immunsystems. Mit dem richtigen Training kann hier aber wirkungsvoll entgegengewirkt werden, um die Abwehrkräfte zu stärken und die Gesundheit zu fördern!

Zusammenfassung

Richtig dosiert verbessert Sport das Immun-Risikoprofil und stärkt unsere Abwehrkräfte. Regelmäßiges Training verlangsamt auch die Alterungsprozesse in den Immunzellen und hält unser biologisches Abwehrsystem länger jung und fit. Zu viel und zu intensives Training – besonders bei fehlender Regeneration und ungesunder Ernährung – kann die Abwehrkräfte aber auch schwächen. Grundsätzlich wirkt ein moderates Auspowern beim Sport besonderes positiv auf das Immunsystem, die Gesundheit und das Wohlbefinden.

Mit Sport die Abwehrkräfte stärken und die Gesundheit fördern
Richtig dosiert wirkt Sport positiv auf das Immunsystem, die Gesundheit und das Wohlbefinden (Foto: Jacob Lund - adobe.stock.com)

Appendix: Empfehlungen zur Rückkehr zu körperlicher Aktivität nach einer Covid-19-Erkrankung

Die Rückkehr zur körperlichen Aktivität nach einer SARS-CoV-2-Infektion sollte immer mit Bedacht erfolgen. Auch dann, wenn nur ein leichter Krankheitsverlauf vorgelegen hat. Andernfalls könnten u.a. Komplikationen auftreten, die zunehmend auch als Long-Covid anerkannt werden; z.B.: Herz-Lungen-Erkrankungen und chronische Erschöpfung.   

Folgend wird ein pragmatischer Ansatz von David Salman (Msk lab – Imperial College London) und Kollegen vorgestellt. Dieser soll Patienten helfen, nach einer symptomatischen SARS-CoV-2-Infektion, sicher zu körperlicher Aktivität zurückzukehren. Er basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie aus multidisziplinären Erfahrungen in der Sport- und Bewegungsmedizin, Rehabilitation und Primärversorgung (mehr erfahren).

Wichtig zu wissen:

  • Erst nach mindestens sieben beschwerdefreien Tagen wieder Sport treiben und mit mindestens zwei Wochen leichter Anstrengung beginnen
  • Patienten mit anhaltenden Symptomen oder mit einem schwerem Covid-19-Verlauf oder einer Vorgeschichte, die auf eine Herzerkrankung hindeutet, müssen weiterhin klinisch untersucht werden
  • Tägliche Selbstüberwachung, um den Fortschritt zu verfolgen

(Quelle: www.bmj.com/content/372/bmj.m4721)

Richtlinien zur Rückkehr zu körperlicher Aktivität nach einer Covid-19-Erkrankung

Quelle: BMJ 2021;372:m4721


Mehr Wissen zu Training, Ernährung und Gesundheit gibt es im iQ athletik Wissensspeicher.


Weiterführendes Wissen zum Immunsystem

An dieser Stelle sollen für interessierte Leser einzelne Funktionsweisen der biologischen Abwehrkräfte noch einmal detaillierter erklärt werden.

Angeborenes Immunsystem

Zu diesem Teil des Immunsystems, welches den Menschen von Geburt an gegen Krankheitserreger schützt zählen u.a. Makrophagen, die dendritischen Zellen, die Granulozyten und die natürlichen Killer Zellen. Dieser Teil des Immunsystems ist nicht-spezifisch – er richtet sich also grundsätzlich gegen alle Fremdkörper und versucht diese abzubauen oder aus dem Körper auszuscheiden.

Adaptives Immunsystem

Das adaptive Immunsystem dagegen hat ein immunologisches Gedächtnis. Es kann spezifische Abwehrmechanismen entwickeln, z.B. für Viren, mit denen es schon einmal in Kontakt getreten ist. Dieses Immunsystem besteht aus den lymphatischen B- und T-Zellen, welche durch den Thymus aus dem Rückenmark freigesetzt werden. 

Kommt eine naive T-Zelle (eine noch nicht spezifizierte Zelle des adaptiven Immunsystems) erstmals mit einem Fremdkörper wie einem Virus in Kontakt, kann sie Antikörper entwickeln, die perfekt zu den Antigenen auf dem Fremdkörper passen. Die Zelle kann sich dann sehr leicht an den Fremdkörper binden und diesen aus dem Körper entfernen. T-Zellen befinden sich zum Beispiel im Rückenmark und können bei Bedarf vermehrt in die Blutbahn ausgeschüttet werden. Dringt also ein Erreger in den Körper, der dem Immunsystem bereits aus einer vergangenen Infektion bekannt ist, werden sofort die T-Zellen mit dem spezifischen Antikörper auf ihrer Oberfläche freigesetzt. Der Erreger wird gebunden und abtransportiert.

Immun-Risikoprofil und Immunseneszenz

Wie gut unser Immunsystem auf Erreger reagieren kann, hängt unter anderem mit unserem Immun-Risikoprofil zusammen. Dieses ist die Summe aus allen Stressoren, die auf unser Immunsystem wirken, z.B. chronische Erkrankungen, Bewegungsmangel, Übergewicht, Alkohol und Alter. 

Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer sogenannten Immunseneszenz: Die Immunantwort wird mit dem Alter immer schlechter. Diese Immunseneszenz lässt sich durch unser adaptives Immunsystem erklären: Je jünger eine Person ist, desto weniger Kontakt hatte sie bislang in ihrem Leben mit verschiedenen Krankheiten. Sie hat also noch viele naive T-Zellen und wenig Gedächtnis-T-Zellen (spezifiziert auf die einzelnen Erreger). Im Laufe des Lebens nimmt die Anzahl an Gedächtnis T-Zellen zu. Gleichzeitig stehen immer weniger naive T-Zellen zur Verfügung, um sich auf die neuen Erreger einzustellen. Eine Ursache dafür ist, dass der Thymus, der in jungen Jahren für die Produktion der T- und B-Lymphozyten sorgt, baut sich im Laufe des Lebens ab. Das ist wiederrum einer der Gründe dafür, warum z.B. eine COVID-19-Erkrankung für ältere weit gefährlicher sein kann als für jüngere Menschen.

Das Immun-Risikoprofil sollte immer so gering wie möglich gehalten werden, damit das Immunsystem im Ernstfall schnell reagieren und gefährliche Erreger bekämpfen kann. Hier kann Sport einen wertvollen Beitrag leisten!

Einfluss von Sport auf die Immunantwort

Sport kann die Immunantwort sowohl direkt, über die Freisetzung bestimmter Stoffe, als auch indirekt, über eine Reduktion der Fettmasse, beeinflussen. Sport hat außerdem direkt einen positiven Einfluss auf das Immun-Risikoprofil.

Auswirkungen von Bewegungsmangel auf das Immunsystem

Bei Bewegungsmangel in Kombination mit ungesunder Ernährung kann es schnell zu Übergewicht kommen. Dabei werden zwei Arten von Fettgewebe unterschieden: Das viszerale (= im Bauchraum befindliche) und das subkutane (= unter der Haut liegende) Fettgewebe. Besonders das viszerale Fettgewebe sorgt für eine eingeschränkte Immunfunktion, denn es liegt im Bauchraum um die Organe herum und sendet chronische Entzündungsprozesse aus. Das Immunsystem reagiert, indem es Makrophage aussendet, die in die Fettzellen eindringen und diese „aufblähen“, bis sie irgendwann platzen. Je aufgeblähter die Fettzellen sind, desto mehr Entzündungssignale versenden sie und desto mehr Makrophagen werden ausgeschickt. Dadurch wird die unspezifische Immunantwort auf andere Erreger von außen abgeschwächt. Diese entzündlichen Signale aus dem Fettgewebe sorgen außerdem für Muskelschwund, Insulinresistenz und können im schlimmsten Fall für die Entwicklung eines Diabetes Typ 2 mitverantwortlich sein.

Direkte Effekte von Sport auf das Immunsystem

Wenn sich der Skelettmuskel beim Sport zusammenzieht, werden anti-inflammatorische (= anti-entzündliche) Botenstoffe, die sogenannten Zytokine, freigesetzt. Besonders hervorzuheben ist dabei das Interleukin-6 (IL-6), welches dafür sorgen kann, dass T- und B-Zellen gebildet werden und somit das adaptive Immunsystem stärkt. Denn je mehr naive (noch nicht spezifizierte) T- und B-Zellen zur Verfügung stehen, desto besser und schneller kann das Immunsystem auf neue Krankheitserreger reagieren. Sport sorgt also durch die Mobilisation der T- und B-Zellen für eine verminderte Infektanfälligkeit im Allgemeinen. Zudem wird eine weitere Makrophagen-Einwanderung in die Fettzellen verhindert, wodurch diese weniger aufgebläht und kleiner werden.

Langfristige Effekte von Sport auf das Immunsystem

Indirekt wird das Immunsystem langfristig gestärkt, wenn durch Sport das Fettgewebe reduziert wird. Besonders die Reduktion des viszeralen Fettgewebes sorgt für ein Absinken des Levels der chronischen Entzündungen im Körper, wodurch weniger Stress auf das Immunsystem einwirkt. Langfristig kann regelmäßiges Training auch die normalen Alterungsprozesse in den Immunzellen verlangsamen und der natürlichen Immunseneszenz entgegenwirken.

Literatur

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