» Die Aussage, ein Krafttraining kann bei Ausdauersportlerinnen und -sportlern die maximale Laktatbildungsrate (VLaMax) „unerwünscht“ erhöhen, ist kritisch zu hinterfragen. Eigene Beobachtungen zeigen, dass dies nicht zwingend der Fall ist. «
Andreas Wagner M.A. (mehr erfahren),
Mitbegründer von iQ athletik, Sportwissenschaftler und Mitautor des Buches Krafttraining im Radsport (mehr erfahren)
Die maximale Laktatbildungsrate (VLaMax) gilt als Indikator für die maximale glykolytische (anaerobe) Leistung. Mit jedem Molekül Laktat produziert der Muskel anaerob Energie. Wichtig zu wissen: Für die maximale Laktatbildungsrate gilt: manchmal ist weniger mehr.
Weniger ist vor allem dann mehr, wenn eine gute Dauerleistung gefordert ist. Diese benötigen z.B. Ausdauersportlerinnen und -sportler beim Ironman und Marathonlauf (mehr erfahren). Krafttraining wird dabei mitunter ein negativer Effekt zugeschrieben, da es womöglich die maximale Laktatbildungsrate „unerwünscht“ erhöhen kann (Nitzsche und Kollegen 2020).
Die Studienlage dazu ist äußerst dünn. Aussagen in der Praxis basieren oft auf Vermutungen. Weitere wissenschaftliche Untersuchen wären hier deshalb mehr als nur wünschenswert (vgl. auch Nolte und Kollegen 2022). Um die Forschungslücke etwas zu schließen, führt iQ athletik auch hier regelmäßig Einzelfalluntersuchungen durch. Dieses Vorgehen ist besonders praxisnah, da jede Sportlerin und jeder Sportler letztlich so individuell wie der eigene Fingerabdruck ist.
In der Praxis zeigt sich oft, dass an Stichproben ermittelte Ergebnisse nicht pauschal auf Individuen übertragen werden können. Aus diesem Grund ist auch das regelmäßige Durchführen von Leistungsdiagnostiken wichtig (mehr erfahren). Diese öffnen ein Fenster in den Körper und geben Einblicke über tatsächliche Anpassungen durch ein Training. Erst diese Einblicke ermöglichen es, ein Training individuell zu planen. Und eine individuelle Trainingsplanung ist die Basis für einen nachhaltigen und maximalen Trainingserfolg.
» Wissen statt vermuten. Anpassungen durch ein Training fallen individuell unterschiedlich aus. An Stichproben ermittelte Ergebnisse können deshalb nicht pauschal auf Individuen übertragen werden. Erst eine regelmäßige Leistungsdiagnostik bringt Aufschluss darüber, wie ein Training tatsächlich funktioniert. Das gilt auch für die Anpassung der maximalen Laktatbildungsrate (VLaMax) durch ein Krafttraining. «
Sebastian Mühlenhoff M.A.
Mitbegründer von iQ athletik, Sportwissenschaftler und Experte für Leistungsdiagnostik
Erste Beobachtungen zeigen, dass ein ergänzendes Krafttraining nicht zwingend und „ungewollt“ die maximale Laktatbildungsrate steigert. In diesem Fall betrieb ein Elite-Radsportler von Herbst bis Frühjahr (Saisonstart) ein regelmäßiges Muskelaufbau- und Maximalkrafttraining – parallel zum Ausdauertraining mit dem Rad. Mit dem VLaMax-Test Plus (mehr erfahren) wurde dabei zu verschiedenen Zeitpunkten die VLaMax und weitere Parameter für die Ausdauerleistungsfähigkeit bestimmt.
Im Stufentest zeigte sich eine gewünschte Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit über die Messzeitpunkte. Ein „ungewünschtes“ Steigern der maximale Laktatbildungsrate (VLaMax) konnte hingegen nicht festgestellt werden. Im Gegenteil: Im Beobachtungszeitraum ist die VLaMax sogar leicht gefallen.
Jetzt könnte natürlich die Frage gestellt werden, ob der Sportler ohne ergänzendes Krafttraining seine Ausdauerleistung hätte noch deutlicher steigern können. An dieser Stelle sei aber auch der deutliche Hinweis gegeben, dass ein ergänzendes Krafttraining auch zu zahlreichen positiven Effekten bei Ausdauersportlerinnen und Sportlern führen kann (Wagner und Mühlehoff 2017). Krafttraining kann z.B.:
Die Aussage, ein Krafttraining kann bei Ausdauersportlerinnen und -sportlern die maximale Laktatbildungsrate (VLaMax) „unerwünscht“ erhöhen, ist kritisch zu hinterfragen. Eigene Beobachtungen zeigen, dass dies nicht zwingend der Fall ist. Es braucht hier mehr Forschung.
Und bevor ein ergänzendes Krafttraining gänzlich aus dem Trainingsplan gestrichen wird, sollte man sich immer auch bewusst machen, dass ein Üben im Kraftraum für Ausdauersportlerinnen und -sportler auch zahlreiche positive Effekte hat (mehr erfahren). Dies gilt ganz besonders für Altersklasseathletinnen und -athleten ab dem 30. Lebensjahrzehnt. Für diese sollte immer auch Alltagsfitness und Prävention im Blickpunkt stehen. Ein Krafttraining ist dabei ein wirkungsvolles Mittel, um dem altersbedingten Muskelschwund und dem Entstehen einer Osteoporose entgegenwirken. Ein Ausdauertraining allein kann dies nicht.
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Quellen:
Nitzsche, N., Lenz, J. C., Voronoi, P., Schulz, H. (2020). Adaption of Maximal Glycolysis Rate after Resistance Exercise with Different Volume Load. Sports Medicine International Open. - Georg Thieme Verlag KG. - 4. 2020, 02, E39 - E44.
Nolte, S., Quittmann, O. J. & Meden, V. (2022). Simulation of Steady-State Energy Metabolism in Cycling and Running. SportRχiv.
Wagner A., Mühlenhoff S. (2017). Krafttraining im Radsport. Methoden und Übungen zur Leistungssteigerung und Prävention. München: Elsevier im Urban & Fischer Verlag. iQ Tipp: Auszüge und Trainingstipps aus dem Buch gibt es hier >>>
(Foto im Header: Rainer Kraus; aus dem Buch Krafttraining im Radsport, Elsevier im Urban & Fischer Verlag)